Heuristische Evaluation nach Nielsen - Systeme bewerten ohne zu fluchen
Im ersten Teil der Serie Systeme bewerten ohne zu fluchen haben wir bereits die Zehn Usability Heuristiken von Nielsen kennengelernt. Ohne Kontext können wir jedoch nur wenig mit ihnen anfangen.
Dieser Artikel weist dich in die Methode der „Heuristischen Evaluation” ein. Im Anschluss verfügst du über alle Grundlagen, um ein Interface konstruktiv bewerten zu können.
Bedeutung
Wie wir bereits herausgefunden haben, sind die hier gemeinten Heuristiken allgemeine „Faustregeln” für gute Usability. Eine Evaluation ist laut dem Duden eine „fachgerechte Bewertung”.
Die Heuristische Evaluation beschreibt eine Methode zum effektiven Finden von Usability-Fehlern.
Vorgehen
Da es für eine Person kaum möglich ist, alle Probleme ausfindig zu machen, führt in der Regel eine Gruppe aus fünf Gutachtern die Heuristische Evaluation durch. So können bereits 75% der Usability-Probleme gefunden werden. Voraussetzung ist, dass alle intensiv mit den „Usability Heuristiken” bzw. den verwendeten Prinzipien vertraut sind. Grafik mit Erlaubnis der Nielsen Norman Group
Unabhängige Evaluation
Zunächst untersucht jeder Gutachter eigenständig das Interface. Dabei prüft er, ob Verstöße gegen Usability Prinzipien vorliegen.
Er notiert zum Beispiel „Letzter Punkt im Menü führt auf eine Error-404-Seite. Verletzung der Heuristik Fehlervermeidung”.
Austausch und Protokoll
Die Gruppe bespricht sich anschließend und sammelt alle gefundenen Punkte – üblicherweise in einem schriftlichen Bericht. Die fertige Liste sollte jedes Usability-Problem einzeln adressieren und jeweils Begründungen liefern.
Optional werden den einzelnen Punkten Schweregrade zugeteilt, um die Beseitigung der wichtigsten Probleme zu erleichtern. Hierfür schlägt Nielsen eine Skala von 0 (Kein Usability-Problem) bis 5 (Usability-Katastrophe) vor.
Herrscht Zeitmangel, kann sich alternativ ein zuständiger Beobachter die von den Gutachtern gesammelten Punkte mündlich präsentieren lassen.
Zusammenfassung und Einordnung der Methode
- Eine Gruppe von idealerweise fünf Usability-Experten macht sich mit den verwendeten Heuristiken vertraut.
- Jeder Gutachter geht das Interface alleine durch und notiert sich dabei Usability-Probleme mit Begründung.
- Die Gruppe bespricht die Ergebnisse und hält sie in einem Bericht fest. Optional sortieren sie die Probleme nach Schweregrad.
„Usability-Experten” sind nicht die Nutzer des Systems. Die Aussagekraft einer Heuristischen Evaluation ist kaum mit jener des klassischen User Testings (wird auch noch vorgestellt) vergleichbar. Ebensowenig kann die Methode alle Usability-Probleme aufdecken oder den Erfolg eines Produkts garantieren.
Dafür ist sie aber auch gar nicht ausgelegt. Laut unabhängiger Forschung ist die „Discount Usability Engineering”-Methode besonders kosteneffizient und zeitsparend.
In einem von Nielsen gegebenen Beispiel konnte eine Heuristische Evaluation mit vier Gutachtern Usability-Probleme im geschätzten Wert von $395.000 ausfindig machen.
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