Macht uns QWERTY langsam und krank?
Hast du dich schon mal gefragt, warum unsere Tastaturen so aussehen, wie sie aussehen?
Viele nehmen an, dass die Anordnung der Tasten für effizientes und angenehmes 10-Finger-Schreiben ausgelegt ist. Die Entwicklung trieben jedoch gänzlich andere Faktoren an. Diese führen laut Kritikern dazu, dass wir langsamer schreiben und uns eher verletzen.
Den Hintergrund der Entwicklung von QWERTY, wie die Kritiker ihre Vorwürfe begründen und ob sie damit Recht haben, erfährst du in diesem Artikel.
Vorgeschichte und Entstehung
Wir befinden uns in den frühen 1870ern. Christopher Latham Sholes – Zeitungsredakteur und Erfinder aus Wisconsin – stand vor einem Problem. Sein früheres Modell einer Schreibmaschine musste er ständig warten, weil sich die Typenhebel auf denen die Negative der Buchstaben sitzen ineinander verklemmten. Ähnlich wie bei einem Klavier lagen die Buchstaben in zwei Reihen von A-Z auf der Tastatur. Bei Häufigen Kombinationen (z.B. S-T) standen also auch die Typenhebel direkt nebeneinander und verklemmten sich, wenn sie direkt nacheinander hervorschossen.
Wie ordnet man also die Tasten an, um solche Blockaden zu verhindern? Nach jahrelangem Ausprobieren entwickelte Sholes ein neues Layout mit drei Reihen, bei dem er häufig vorkommende Buchstaben in einem Halbkreis anordnete und häufige Buchstabenkombinationen räumlich voneinander trennte.
Nachdem Western Union das Patent nicht kaufen wollte, schloss Sholes einen Exklusivvertrag mit Remington & Sons. Mit kleinen Anpassungen fand das QWERTY-Layout 1874 seine erste Verwendung in der Remington No. 1 und schaffte schließlich den Durchbruch mit der Remington No. 2, welche zudem mit der Shift-Taste den Wechsel zwischen Groß- und Kleinbuchstaben einführte.
Aktualität und Ergonomie
Bis heute ist QWERTY also das weltweit dominierende Tastaturlayout und kaum noch aus unserem Alltag wegzudenken. Sämtliche Geräte nutzen es und schon in der Grundschule lernen Kinder darauf das Zehn-Finger-System. Damals ließ sich mit dieser Anordnung am besten Schreiben, doch fast 150 Jahre später ist die Verklemmung von Typenhebeln natürlich kein Thema mehr. Ist es für den heutigen Gebrauch überhaupt noch die beste Lösung und hat es sogar Nachteile?
Sehnenscheibenentzündungen bzw. RSI finden inzwischen weitreichende Verbreitung bei Berufstätigen, die am Bildschirm arbeiten.
Kritiker wie Dr. August Dvorak sehen die Ursachen im Tastaturlayout, welches aus praktischen Gründen und nicht für die ergonomische und effiziente Bedienung entwickelt wurde. Dies habe die Reduzierung der Schreibgeschwindigkeit, sowie Verletzungen zur Folge. Die Finger legten durch die verstreute Anordnung der häufigsten Buchstaben mehr Strecke zurück und würden dabei ungleichmäßig und einseitig beansprucht. Doch wie schlagen sich die Alternativen im Vergleich?
Alternativen?
Die bekannteste ist das 1936 von Dr. Dvorak entwickelte und nach ihm selbst benannte “Dvorak Simplified Keyboard”. Dort liegen die häufigsten Buchstaben in der Mitte der Tastatur, während die seltensten sich auf der untersten Reihe befinden. Starke Finger sollen zudem mehr verwendet werden, als die anderen. Dies ermögliche ein schnelleres Schreiben, eine kürzere zurückgelegte Strecke, weniger Fehler und eine bessere Erlernbarkeit.
Die Argumente sind schlüssig und das Layout entstand eindeutig aus ergonomischer Motivation, doch sieht die empirische Situation etwas komplizierter aus. Großangelegte Studien zu QWERTY vs. Dvorak gibt es nicht und die populärsten unter denen, welche die Thesen der Kritiker bekräftigen, stammen von Dvorak selber. Wiederum andere finden kaum einen signifikanten Unterschied zwischen den beiden.
Fazit und Aussicht
Sholes entwickelte das QWERTY-Keyboard nicht aus ergonomischen Überlegungen oder gar mit Blick auf seine heutige Verwendung auf Smartphones. Es sollte ein Problem lösen, das heutzutage keine Bedeutung mehr hat. Ob vorhandene Alternativen besser sind, wird jedoch kontrovers diskutiert. In jedem Fall verfügt das QWERTY-Layout über eine enorme Verbreitung und entsprechend haben sich die Menschen an dessen Verwendung gewöhnt. Also selbst wenn morgen die ideale Alternative entwickelt werden würde, ist es fraglich, ob sich das Konzept durchsetzen könnte.
Bis auf weiteres können wir also an unserer Tastaturbelegung festhalten. Um die Verletzungsgefahr zu minimieren, sollten wir regelmäßig Pausen beim Schreiben einlegen und Fingerübungen machen. Außerdem sind von der Form her ergonomische Keyboards erhältlich, die sich an die natürliche Haltung und Bewegung der Hände und Finger anpassen.
Vielleicht ist das Ganze in Zukunft aber auch gar kein Thema mehr, wenn sich Interaktionsarten wie eine zuverlässige Spracherkennung oder ganz neue Konzepte wie Brain-Computer-Interfaces etabliert haben.
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